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Im Gespräch mit Sebastian Petri: Praktische Nutzung nasser Moore und Verarbeitung von Paludibiomasse

Praxisdemonstration im Rhinluch (Brandenburg): Auf feuchtem Grünland wird das Schlupfverhalten bei unterschiedlichen Reifendrücken getestet, um bodenschonende Ernteverfahren zu bewerten. Foto: A. Haberl / Michael Succow Stiftung

Wir haben uns mit Sebastian Petri getroffen, einem Pionier der Paludikultur in Deutschland. Als Landwirt und Sprecher der AG Landwirtschaft setzt er sich für die Nutzung wiedervernässter Moorflächen ein. Im Gespräch gab er Einblicke in den Anbau und die Verarbeitung von Paludibiomasse und die dabei bestehenden Herausforderungen.

Sebastian Petri ist ein echter Pionier der Paludikultur in Deutschland. Als Landwirt und Sprecher der AG Landwirtschaft hat er sich der Nutzung wiedervernässter Moorflächen verschrieben. In der Arbeitsgruppe kommen verschiedene Akteur*innen aus dem Agrarbereich zusammen, um einen offenen und praxisnahen Austausch über die Umsetzung von Paludikultur zu ermöglichen und eine Verbindung zwischen Landwirtschaft und verarbeitenden Unternehmen herzustellen. In unserem Gespräch gewährte Petri Einblicke in seine Arbeit.

Wo befindet sich die Fläche, auf der Sie arbeiten? 

Sebastian Petri: Die Fläche liegt im Kremmen Rhinluch, nordwestlich von Berlin. 

Welche Pflanzen wachsen auf Ihren nassen Flächen? Warum haben Sie sich für genau diese Pflanzen entschieden? 

Sebastian Petri: Wir nutzen reine Feuchtwiesen, auf denen hauptsächlich Rohrglanzgras (Phalaris) und Seggen (Carex) wachsen. Diese Bestände fördern wir auch gezielt. Es ist alles natürliches Grünland – wir pflanzen also nichts aktiv an. Zum einen, weil sie auf unseren Flächen natürlich vorkommen. Und zum anderen, weil sich das Rohrglanzgras relativ gut zur Fütterung eignet. Auch die Seggen können, wenn sie gut getrocknet werden, gut von den Tieren aufgenommen werden. 

Haben Sie auch Versuche zur Saatgutgewinnung gemacht? 

Sebastian Petri: Ja, wir haben dieses Jahr erstmals einen Versuch zur Saatgutgewinnung mit Rohrglanzgras gemacht. Mal sehen, wie das nach der Reinigung aussieht und was von dem Saatgut übrig bleibt. Ziel ist es, das Saatgut eventuell auch auf anderen Flächen auszubringen, um dort die Umstellung auf feuchtere Bedingungen zu beschleunigen. 

Ist die Saatgutgewinnung aufwendig? 

Sebastian Petri: Ja, sehr. Es gibt kaum Wissen dazu. In Deutschland wurde mal eine Sorte namens Paulina gezüchtet – das war’s. Man muss den richtigen Zeitpunkt abpassen, denn wenn man zu früh erntet, ist das Saatgut nicht keimfähig. Wir haben von Hand geerntet, jetzt wird es getrocknet und gereinigt. 

Was machen Sie direkt nach der Ernte mit der Biomasse? 

Sebastian Petri: Wir machen ganz klassisch Rundballen, also Heuballen. Die werden direkt auf der Fläche gepresst, aufgeladen und entweder gleich an die Kund*innen geliefert oder bei uns eingelagert und nach Bedarf über den Winter verkauft. 

Was ist bei der Ballenpressung besonders wichtig? 

Sebastian Petri: Die Biomasse muss wirklich trocken sein. Wenn sie zu feucht ist, kann es zu Schimmel kommen oder – schlimmer noch – zur Selbstentzündung durch Nacherwärmung im Ballen. 

Wie gut ist die derzeit geerntete Biomasse lagerfähig? 

Sebastian Petri: Wenn sie trocken gelagert wird – in einer Halle oder gut abgedeckt – ist sie sehr lange lagerfähig. Ich sag mal: 2–3 Jahre sind kein Problem. Ohne Abdeckung leidet die Qualität stark, wegen Schimmel und Feuchtigkeitseinzug.
 

Landwirt Sebastian Petri: Auf seinen wiedervernässten Flächen wachsen vor allem Rohrglanzgras und Seggen – zentrale Pflanzen für die Paludikultur. Foto: privat

Welche Maschinen nutzen Sie derzeit für die Ernte und wo sehen Sie Verbesserungspotenzial? 

Sebastian Petri: Aktuell arbeiten wir mit leichten Traktoren, die breite Reifen und Reifendruckregelanlagen haben. Außerdem nutzen wir umgebaute Pistenraupen, also Raupentechnik, die aber ursprünglich nicht für die Landwirtschaft gebaut wurde. Es sind alles Kompromisslösungen.
 

Ideal wäre eine Hybridmaschine: ein leichter Traktor, der hinten auf Gummiketten läuft und vorne auf breiten Reifen mit Reifendruckregelanlage. Damit hätte man die Vorteile beider Systeme – Bodenschonung, Straßenverkehrstauglichkeit und eine Maschine, die für Landwirte vertraut ist. So etwas müsste von großen Landmaschinenherstellern in Serie gebaut werden, um günstiger und zugänglicher zu sein. 

Was würden Sie anderen Landwirten raten, die in Paludikultur einsteigen wollen? 

Sebastian Petri: Man sollte genau prüfen, wie feucht die Fläche wirklich ist – und danach entscheiden, ob man mit Rädern oder Ketten arbeiten kann. Räder sind oft günstiger und einfacher. Wichtig ist auch, den Absatzweg zu klären: Was mache ich mit der Biomasse? Habe ich eine sichere Vermarktung? Das muss man standort- und betriebsspezifisch entscheiden. 

Wie sieht für Sie ein ideales Verwertungssystem für Paludibiomasse aus? 

Sebastian Petri: Ich wünsche mir eine Struktur, in der ich meine Biomasse – unabhängig vom Zustand – ernten und abgeben kann. Dafür müsste es eine Aufbereitung geben, die verschiedene Qualitätsstufen trennt – passend für die unterschiedlichen Sektoren, z. B. Biochemie, Papier oder energetische Nutzung.Optimal wäre ein zentraler Biomassehof, der alles aufnimmt, aufbereitet und weitervermarktet. So hätte ich Planungssicherheit und wäre nicht von einem einzigen Absatzmarkt abhängig. 

Was fehlt aktuell, um dieses Szenario Realität werden zu lassen? 

Sebastian Petri: Es fehlt an allem: Derzeit wird meist nur trockene Biomasse verwendet. Es fehlt die Technik zur Aufbereitung feuchter Biomasse in einen transportwürdigen Zustand – das ist der Knackpunkt. Die Industrie braucht lagerfähiges Material, aber feuchte Biomasse ist schwer und teuer im Transport. Da fehlt eine ganze Logistikkette. 

Rundballen aus Rohrglanzgras im Moorgrünland: Nach der Trocknung und Pressung lässt sich die Biomasse über Monate lagern und flexibel vermarkten – von Futter über Papier bis hin zu neuen Produktentwicklungen. Foto: Michael Succow Stiftung

Paludikultur braucht Strukturen und schafft neue Chancen

Gerade die wertvollen Perspektiven, wie Sebastian Petri sie aufgezeigt hat, sind entscheidend, um aktuelle Bedarfe klar zu erkennen und mutig anzugehen. Sein Beispiel macht deutlich: Damit Landwirt*innen erfolgreich in die Paludikultur einsteigen können, brauchen sie vor allem Planungssicherheit und passende Strukturen. Unser Projekt und die Zusammenarbeit innerhalb der Allianz der Pioniere schaffen dafür ein wichtiges Fundament – sie ermöglichen einen offenen Austausch und fördern die gemeinsame Entwicklung praxisnaher Ansätze. Paludikultur kann so Brücken schlagen zwischen Landwirtschaft, Wirtschaft und Klimaschutz und neue Wege für eine nachhaltige Zukunft eröffnen.